Stranger than Paradise

Dt/engl
Langbeschreibung
Fleckig, überbelichtet und fehlfarben - die suggestiven Fotografien von Stefanie Schneider brechen mit den Konventionen des Handwerks. Die von ihr verwendeten, abgelaufenen Polaroidfilme verzerren surreal, was man aus Road-Movies kennt: Reklameschilder aus den Fünfzigern, Palmen vor zyanblauem Himmel, bonbonfarbene Straßenkreuzer, eine einsame Tankstelle mitten im Nichts. Die Absolventin der Essener Folkwang-Schule bevölkert diese Schauplätze mit zerbrechlich-jungen, seltsam entrückt wirkenden Platzhalterfiguren; ihre bunten Inszenierungen von Normalität scheinen unterschwellig bedroht oder bedrohlich. Nicht umsonst integrierte Regisseur Marc Forster Fotografien von Stefanie Schneider in seinen neuen Thriller 'Stay' mit Ewan McGregor und Naomi Watts. Stranger than Paradise, Schneiders jüngste Hollywood-Reminiszenz, erscheint rechtzeitig zu diesem Filmstart.
Hauptbeschreibung
Der erste Gesamtüberblick über die bisherigen Arbeiten des neuen Shooting Stars der jungen deutschen Fotografenszene.
Inhaltsverzeichnis
Projektion ist eine Form der Erscheinung, die für das Wesen des Menschen charakteristisch ist; beinahe immer geht das, was wir uns vorstellen, über die Realität dessen, was wir erleben, hinaus. Und, wie schon das Wort nahe legt, ist eine Erscheinung ganz buchstäblich ein „Erscheinen“, denn das,was wir uns vorzustellen scheinen wird zum größten Teil durch die Vorstellung eben dieser Erscheinung geformt. Das mag tautologisch klingen. Aber in Stefanie Schneiders Werk geht es fast durchgängig um Zufall und Erscheinung. Überdies stellt sie ihre Bildgeschichten oder Fotoromane mit den Mitteln der Fotografie her, also dem erscheinungshaftesten aller Bildmedien.Tatsächlich ist die traditionelle Fotografie (und darin unterscheidet sie sich von der modernen Digitaltechnik) im eigentlichen Sinn das Erwarten einer Erscheinung; diese ereignet sich in Übereinstimmung mit dem vorgestellten Bild, das die Kamera aufnimmt und das danach in der Dunkelkammer entwickelt wird. Und die Tatsache, dass Stefanie Schneider mit abgelaufenem PolaroidMaterial fotografiert, verstärkt noch den Eindruck der Erscheinungshaftigkeit ihrer fertigen Bilder. Sie erlangen erst dann Beständigkeit, wenn sie im Studio neu aufgenommen, entwickelt und dadurch vorübergehend in Ort und Zeit fixiert oder festgehalten werden. Der unberechenbare und manchmal auch instabile Film, den Schneider für ihre Arbeit benutzt, bringt auch ein Element von Zufall in das Ergebnis, das die Künstlerin möglicherweise imaginiert oder beabsichtigt hat. Dieser Zufall manifestiert sich allerdings als lose kontrolliertes oder besser existenzielles Zufallselement; es wird durch Stefanie Schneiders unmittelbare Lebensumstände und das Projekt, an dem sie gerade arbeitet, vorherbestimmt. Deshalb hat jede Wahl, die sie trifft, ein mehr oder weniger offenes Ende, denn sie wird gesteuert von einer Persönlichkeit und Veranlagung, die den Dingen ein zweites Erscheinen zugesteht, ein Erscheinen, dessen mögliches Ergebnis nicht festgelegt ist. Dieses gewollte Zusammentreffen der zufallsgeleiteten Erscheinung auf dem Polaroid-Film mit Stefanie Schneiders persönlichen Lebenserfahrungen bildet das Potential, durch das ihre Erzählungen mit offenem Ende entstehen können. Die Geschichten basieren also auf einem verdorbenen Bestand teils menschlicher, teils materieller Voraussetzungen, und in ihnen werden dem Anschein nach Pessimismus und ein Gefühl für das erhaben Lächerliche ins Licht gestellt. So verstanden bekommt das Verb „belichten“ einen doppelten Sinn. Denn ein Vorgang des Belichtens liegt sowohl im technischen Prozess des Fotografierens als auch im narrativen Gehalt von Schneiders Fotoroman-Enthüllungen. Das erste bezeichnet den instabilen Ausgangspunkt, letzteres das ungewisse Ende oder die ungewisse Bedeutung, die durch die verdoppelte Belichtung der Aufnahme erreicht werden. Mit der offensichtlich großen Zahl spekulativer Theorien, die Erscheinung im Wortsinn als das Erscheinende verstehen, brauchen wir uns hier ebenso wenig aufzuhalten wie mit den kreativen Sichtweisen der Erscheinung in Film und Fotografie.Aber seit den frühesten Anfängen der Fotografie haben sich Künstler mit deren manipulierten oder zufälligen Wirkungen beschäftigt, mal um den Betrachter zu täuschen, mal als alchemistische Untersuchungen in der Art eines Sigmar Polke. Nicht darum jedoch geht es der Künstlerin und Fotografin Stefanie Schneider, sie interessiert sich vielmehr für das, worauf die zufallsgeleiteten Erscheinungen in ihren Fotografien verweisen. Denn Schneiders Arbeiten beschäftigen sich mit dem opaken und porösen Gehalt von Beziehungen und Begebenheiten zwischen Menschen, und die materiellen Mittel, die sie einsetzt, sind der Mechanismus, mit dem sie jenes „lächerlich Erhabene“ erzeugt und ins Licht stellt, das die modernen Affekte unserer Welt immer mehr bestimmt. Die besonderen Bedingungen des Kampfes, in dem die Menschen heutzutage versuchen, Beziehungen zueinander – und zu sich selbst – aufzunehmen, zeigen sich in ihrem gesamten Werk. Und ihre Arbeiten als Akte des fotographischen Belichtens und Enthüllens sind um so schärfer und kritischer,weil dies vor dem Hintergrund des sogenannten „American Dream“ geschieht. Von Stefanie Schneiders ersten Arbeiten in den späten neunziger Jahren an könnte man ihre Fotografien vielleicht als zusammenhängenden Versuch zu einer investigativen oder analytischen Serie verstehen, oder, besser noch, als psychoanalytische Zergliederungen verschiedener, bestimmter Formen der amerikanischen Subkultur. Aber eine solche Interpretation ginge am Wesentlichen vorbei, weil Schneiders Serien, obwohl sie datiert sind und hintereinander erscheinen, eigentlich immer unvollendet bleiben. Ihre Arbeit hat wenig oder
Autor*in:
Eugen Blume
Art:
Gebunden/Hardback
Sprache :
Deutsch
Zeit:
200 S., 320 Farbfotos
ISBN-13:
9783775717519
Verlag:
Hatje Cantz Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsdatum:
09.02.2006
Erscheinungsjahr:
2006
Maße:
30.70x24.70x2.10 cm
Gewicht:
1454 g

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